5. Lebensrettende Sofortmaßnahmen
5.1. Grundsätze
Je dringender der Notfall, desto wichtiger ist Ruhe! In Gegenwart oder Hörweite des Verunglückten werden keine Mutmaßungen über die Schwere der Verletzung oder Schilderungen des Unfalls geäußert. Es wird nicht geschimpft, geschrieen, Maßnahmen kritisiert, Vorwürfe erhoben oder Äußerungen gemacht, die die Besorgnis des Verletzten steigern können. (Wenn man sich gegenteilig verhält, als in diversen Fernsehserien über Krankenhäuser oder Rettungshubschrauber gezeigt wird, ist man mit großer Wahrscheinlichkeit auf dem richtigen Weg).
Grundsätzlich darf ein Verletzter nicht essen, trinken oder rauchen. Man muß zunächst davon ausgehen, daß der Patient baldmöglichst operiert werden muß. Alles, was sich im Magen befindet oder die Magensekretion anregt (Rauchen, Kaugummi kauen, Bonbon lutschen) erhöht das Narkoserisiko beträchtlich. Aber auch schon an der Unfallstelle oder während des Transports erhöht Mageninhalt die Gefahr des Erbrechens. Mit Erbrechen geht aber bei allen bewußtseinsgetrübten die Gefahr des Erstickens einher.
5.2. Beobachtung des Verunglückten
Während man sich dem Verunglückten nähert, beobachtet man schon bewußt, welche Körperhaltung er hat, ob und wie er sich bewegt. Man spricht ihn ruhig an, fragt nach seinem Befinden.
5.3. Bewußtlosigkeit
Reagiert er nicht, faßt man ihn an, reagiert er immer noch nicht, rüttelt man leicht an der Schulter. Reagiert er immer noch nicht, muß sofort überprüft werden, ob er noch atmet:
Hierzu beobachtet man, ob Brustkorb und Bauchdecke sich bei der Atembewegung heben und senken. Mit dem Handrücken und/oder dem bloßen Auge, den/das man dicht vor Mund und Nase hält, erfühlt man den Luftzug der Atmung.
Ist ausreichende Atmung feststellbar, wird ein Bewußtloser auf die Seite gedreht. Andernfalls droht ihm Erstickungsgefahr durch die schlaff nach hinten fallende Zunge oder durch Erbrochenes, das die Atemwege verlegt.
Zunächst den dem Helfer zugewandten Arm möglichst weit mit gestrecktem Ellenbogen unter das Gesäß schieben,
dann auf der gleichen Seite das Bein anwinkeln.
Nun auf der abgewandten Seite den Verunglückten mit einer Hand an der Schulter, mit der anderen an der Hüfte fassen und auf den eigenen Oberschenkel ziehen. Bei abgestürzten Fliegern (vor allem GS) darauf achten, daß der Zug an Schulter und Hüfte so gleichmäßig erfolgt, daß die Wirbelsäule nicht verdreht wird.
Nun folgt das Wichtigste: Die flache Hand des oben liegenden Armes wird unter das Gesicht des Verletzten gelegt und der Kopf so weit wie möglich nackenwärts gebeugt.
Der untenliegende Arm wird nun vorsichtig (damit man die Schulter nicht auskugelt) nach hinten abgepreizt.
In dieser Lage kann die Zunge nicht nach hinten fallen und Erbrochenes abfließen. Somit wird das Ersticken verhindert.
5.4. Atemstillstand
Ist keine Atmung feststellbar, muß mit der Wiederbelebung begonnen werden. Die seit 2000 geltenden neuen Richtlinien sehen aber für Laienhelfer keine Verpflichtung zur Durchführung der Atemspende mehr vor. Hintergrund ist die mit der Verbreitung der HIV- und/ oder Hepatitis C - Infektion verbundene Gefährdung der Helfer. Wer dennoch Atemspende leisten möchte, beugt den Kopf des Verletzten maximal nackenwärts (gilt nicht für Kleinkinder!!) atmet ein und legt seine Lippen so um die Nase des Verunfallten, daß die Mundwinkel des Helfers in Nasenwurzel und auf Oberlippe des Verunglückten zu liegen kommen. Der Daumen der Hand, die den Unterkiefer hält, drückt die Unterlippe nach oben und den Mund so gegen die Wange des Helfers, daß der Mund verschlossen wird. Nun atmet man betont aus (nicht blasen, der Patient ist keine Luftmatratze) und spürt dabei die Luft in die Lunge des Verletzten strömen. Anschließend richtet man seinen Oberkörper wieder etwas auf, dabei sollte man deutlichen Abstand vom Gesicht des Verunglückten halten. Während man wieder einatmet, beobachtet man, wie sich der Brustkorb des Verletzten wieder senkt.
Spürt man bei der Atemspende Widerstand oder hört gar ein gurgelndes Geräusch, auf gar keinen Fall mit Kraft dem Verletzten Luft einblasen!
Zu hoher Atemwiderstand kommt daher, daß der Kopf nicht ausreichend nackenwärts überstreckt wurde.
Gurgeln weist darauf hin, daß die Atemwege durch Flüssigkeit verlegt sind. Wird diese in die Lunge gepreßt, ist das mit größter Wahrscheinlichkeit tödlich. Daher den Kopf auf die Seite drehen und die Atemwege freiräumen.
Atmet der Verletzte gegen die Atemspende oder wehrt sich dagegen, zeigt das, daß er doch noch atmet.
Kurzwiederholung
- Kopf nackenwärts überstrecken
- Unterkiefer anheben
- Atembewegung prüfen
- Atmung erfühlen
- ggf. Atemspende
5.5. Kreislaufstillstand und Schock
Ist keine Atmung feststellbar (vor allem, wenn sich der Verletzte nicht gegen die Atemspende wehrt) , prüft man, ob sich die Pupillen bei Lichteinfall zusammenziehen. Ist das nicht der Fall, ist der Kreislauf zum Erliegen gekommen. Es ist mit Herzdruckmassage zu beginnen.
Dazu öffnet man die Kleidung über der Brust und beugt man sich so über den Verletzten, daß man mit seiner eigenen Schulterebene senkrecht über der unteren Brustbeinhälfte des Verunglückten ist. Die Hände werden übereinander gelegt, dabei die untere Hand mit dem Handballen auf das Brustbein des Verunglückten aufgesetzt. Die Arme sind in den Ellenbogen durchgestreckt. Nun drückt man rhythmisch das Brustbein 3-5 cm tief in Richtung Wirbelsäule. Dabei wird das Brustbein beim Hochgehen vollständig entlastet, ohne daß die Hände den Hautkontakt verlieren. Man drückt ca. 100 mal pro Minute, aber nicht schneller als 120 mal. (Abb. HDM 1 - 2)
Wenn dazu Atemspende geleistet wird, werden nach jeweils 15 Herzdruckmassagen zwei Beatmungen eingeschaltet. Die Wirkung der Herzdruckmassage ist davon abhängig, daß sie nicht unterbrochen oder unregelmäßig ausgeführt wird. Für die Beatmung darf die Pause nicht länger sein, als unbedingt für die zwei Einblasungen gebraucht wird. Das heißt, der Beatmende geht noch während der HDM in Position und bläst noch während der Entlastungsphase ein. Sofort nach der zweiten Einblasung wird die HDM fortgesetzt. Die Herzmassage hat Vorrang vor allen anderen Maßnahmen (außer der Frühdefibrillation).
Durch fehlerhafte Herzmassage können Rippen gebrochen, Lunge und Herz verletzt werden. Unterlassene oder zaghafte ausgeführte Herzmassage dagegen kann den Tod besiegeln. Daher sollte die Wiederbelebung in den einschlägigen Auffrischungslehrgängen der Rettungsorganisationen immer wieder geübt werden. Niemals darf sie an einem lebenden Menschen geübt werden - das kann tödlich sein!
Kurzwiederholung:
Pupillen lichtstarr Hände auf untere Brustbeinhälfte setzen so über Verletzten beugen, daß Schultern über Brustbein sind Brustbein mit gestreckten Armen 3-5cm tief eindrücken ca. 100 mal/Minute 5.5.1. Schock
Nicht immer fallen Atmung und Kreislauf gleich ganz aus. Beim Atemstillstand fällt die Atemmechanik aus, beim Kreislaufstillstand die mechanische Pumpaktion des Blutes. Wenn aber nur einfach nicht genug Blut gepumpt wird, das Herz nicht die erforderliche Leistung bringt, unzureichend Sauerstoff zur Verfügung steht oder nicht vom Blut transportiert wird, dann kommt der Körper in Sauerstoffmangel und häuft saure Stoffwechselprodukte an, die das Leben der einzelnen Zellen und Organfunktionen bedrohen. Das nennt man Schock. Es handelt sich hier um einen sehr komplexen Vorgang, der je nach Auslöser und Konstellation unterschiedlich lang dauert, verschieden verläuft und mit einem Stillstand des Kreislaufs endet.
5.5.2. Teufelskreis des Schocks (stark vereinfachte Darstellung)
Nehmen wir als Ursache an, nach einem Bruch der Wirbelsäule würden Muskulatur und Gefäße der Beine und Bauchregion erschlaffen. Blut würde sich dort sammeln und nicht zum Herzen zurückgepumpt werden. Die zirkulierende Blutmenge reduzierte sich innerhalb weniger Minute auf die Hälfte. Dementsprechend würde weniger Sauerstoff von der Lunge übernommen und zu den Organen transportiert werden. Dem Körper stehen folgende Abwehrmechanismen zur Verfügung:
- Erhöhung der Herzfrequenz als Ausgleich zur kleineren Füllmenge
- Verengung der Schlagadern zur Druckerhöhung
- Abschalten nicht benötigter Körperregionen
- Beschleunigung der Atmung, um die Sauerstoffmenge zu erhöhen
Hierzu steht dem Körper ein natürliches Programm zur Verfügung: der Streß. Durch Adrenalinausschüttung, die so lange gesteigert wird, bis die beabsichtigte Wirkung erreicht ist, reagiert der Organismus. Dabei wird aber auch das Herz massiv belastet. Da es selbst auch irgendwann von der Unterversorgung betroffen wird, kann die Arbeit bald nicht mehr mit der nötigen Kraft geleistet werden. Der Puls wird also nicht nur schnell, sondern vor allem auch schwächer und mit der Zeit unregelmäßig. Durch Engstellung der Schlagadern wird dem Herz das Befüllen der Gefäße erschwert. Es erhöht sich also nur der untere Blutdruckwert, während der obere weiter absinkt. Nach einiger Zeit nehmen die Blutgefäßwände Schaden und werden für bestimmte Blutbestandteile durchlässig. Dadurch wird die Blutmenge noch weiter verringert und kann noch weniger Sauerstoff transportieren. Blutgerinnungsstoffe werden verbraucht, dadurch kann das Blut nicht mehr in Wunden gerinnen, was zu vermehrter Blutung führt. Das alles steigert sich solange, bis der Körper nicht mehr gegenlenken kann. Ein Organ nach dem anderen wird so geschädigt, daß es seine Aufgaben nicht mehr erfüllen kann. Der Schock nimmt seinen eigengesetzlichen Verlauf bis zum tödlichen (und oft qualvollen) Ende.
Das ist so, als wenn ein Gleitschirmflieger mit der Steilspirale einer stark saugenden Wolke zu entkommen sucht und dabei die Spirale enger und enger zieht, bis er schließlich die Kontrolle über den Schirm verliert.
Woran man den Schock erkennt und was man dagegen unternehmen kann, wird unter 5.5.3.1. besprochen. Zuerst muß man sich ein klares Bild vom Zustand des Verunfallten verschaffen.
5.5.3. Annähern
Während man den Verletzten nach Beschwerden fragt, fühlt man den Puls, beobachtet Hautfarbe, Lage und Körperhaltung. Dann wird der Verletzte systematisch vorsichtig von oben nach unten gecheckt. Dazu fordert man ihn auf, das entsprechende Körperteil zu bewegen und prüft, ob das beschwerdefrei möglich ist. Von erkannten Verletzungen wird die Kleidung vorsichtig entfernt, sofern das schmerzlos möglich ist, und offene Verletzungen steril abgedeckt. Ausnahme: Stiefel und Gurtzeug werden nicht entfernt, wenn eine Rettung durch Bergwacht oder SAR ansteht. Der Helm wird nur abgenommen, wenn er stört und der Patient bewußtlos ist. (Also etwas anders als auf der Straße)
Doch auch wenn man Verletzungen erkannt hat, ist es wichtig, weiterhin Bewußtsein, Atmung und Puls zu beobachten, da sich die Folgen und Komplikationen davon erst nach und nach entwickeln. Der Zustand eines Verunfallten kann sich daher bei Schwerverletzten noch verändern, innerhalb der ersten Minuten nach dem Unfall wird er sich meistens verändern.
Daher soll der Verletzte nicht allein gelassen werden. Steht aber nur eine Hilfsperson zur Verfügung, ist die Alarmierung und rasche Heranführung professioneller Hilfe vorrangig.
5.5.3.1. Anzeichen eines beginnenden Schocks
- Blässe
- kaltschweißige Haut
- Puls schwer tastbar und schwach
- beschleunigte Atmung
- Innenseite des Augenlids blaß
- schwindendes Bewußtsein
- Orientierungslosigkeit (Unfähigkeit der Situationserkenntnis bis hin zum Phantasieren
- Puls auffallend schnell oder auffallend langsam
Da der Schock ein dynamischer Ablauf ist, verändern sich diese Anzeichen ständig zum Schlechteren. Es wird auffallen, daß alle diese Kennzeichen auch Merkmale anderer Verletzungsmuster sind. Für die Beurteilung der Schocksituation ist daher weniger das Auftreten eines Symptoms an sich, sondern seine Veränderung und Kombination mit anderen ausschlaggebend.
Mit der Entwicklung eines Schocks muß immer gerechnet werden, wenn der Patient offensichtlich schwer verletzt ist (Hirnverletzung, Brustkorbverletzung, Bauchverletzung, Brüche im Bereich von Wirbelsäule, Becken und Oberschenkel).
5.5.4. Maßnahmen
Um dem Körper mehr Blut zur Verfügung zu stellen, legt man am Besten die Beine des Verletzten hoch. Hierzu müssen aber vorher Kopf- und Brustverletzungen ausgeschlossen werden.
Der Verletzte wird vor Auskühlung und Sonneneinstrahlung geschützt. Am effektivsten gelingt das mit der Rettungsdecke. Dazu legt man die Decke mit der Silberseite nach oben aus, schlägt etwa 40 cm davon ein und schiebt das unter den etwas gedrehten Verletzten. Dann dreht man ihn auf die andere Seite und zieht die Decke durch. Mit dem Rest wird er zugedeckt. Wichtig: Die Silberseite muß zum Patienten zeigen. Hat man keine Rettungsdecke, tut ein Teil der Schirmkappe den gleichen Dienst.
Kurzwiederholung
Blässe schlecht tastbarer Puls schwere Verletzung, aber nicht an Brust oder Kopf Beine hochlegen zudecken
5.6. Blutungen und Wunden
Blutungen und Wunden sind nur gefährlich, wenn es massiv blutet. Für den Laien ist die Gefährlichkeit einer Blutung schwer abschätzbar. Fast immer wird sie überbewertet. Die meisten ernsthaften Blutungen entstehen erst durch fehlerhafte Hilfsmaßnahmen.
Blutungen werden sorgfältig verbunden (Verbandpäckchen) und hochgelagert. Nun prüfe, ob die Blutung aufhört, dann war die Maßnahme richtig. Blutet es weiter, muß Druck auf den Verband ausgeübt werden. Nützt auch das nicht oder blutet gar nach Verbandanlage erst recht (was sehr oft vorkommt), dann ist der Verband zu fest gewickelt und muß vor allem zum Herzen hin gelockert werden. Von veralteten martialischen Blutstillungstechniken, die meist aus dem Krieg stammen, ist Abstand zu nehmen. Sie sind im zivilen Rettungsdienst nicht nur obsolet, sondern oft Ursache für das spätere Notwendigwerden einer Amputation und weiterer schwerer Folgeblutungen.
Kurzwiederholung
- hochhalten, hochlagern
- steril abdecken
ggf Druck auf den Verband ausüben
5.7. Verletzungen des Körperstamms
Da Abstürze / harte Landungen eine fluggerätebedingte Mechanik aufweisen, ist bei Drachenfliegern mit Verletzungen im Bereich von Kopf, Schulter mit oberen Extremitäten, Hals- und Brustwirbelsäule zu rechnen. Bei Gleitschirmfliegern stehen dagegen Verletzungen der unteren Extremitäten und der Lendenwirbelsäule im Vordergrund. Trotzdem kann es bei allen Stürzen zu jeder Art von Verletzung kommen. Der Verletzte ist also immer komplett zu untersuchen!
Folgende Grundsätze sind zu beachten: Ein Verletzter wird prinzipiell nur bewegt oder abtransportiert, wenn es zwingend notwendig ist. (ist es aber fast nie) Der Rettungsdienst verfügt über geeignetes Gerät und die nötige Übung, einen Verletzten schnell und schonend zu bewegen. Daher ist im Zweifelsfall immer auf den Rettungsdienst zu warten! Schonender Transport ist wichtiger als schneller Transport. In beiden Fällen braucht man sowieso den Hubschrauber.
5.7.1. Wirbelsäulenverletzung
Häufig und gefürchtet sind Wirbelsäulenverletzungen. Die Erfahrung hat in den letzten Jahren gezeigt, daß dabei Verletzungen des Rückenmarks entweder direkt beim Unfallereignis stattfinden oder innerhalb der nächsten Stunden durch die sich bildende Schwellung. Trotzdem muß bei der Versorgung vorsichtig zu Werk gegangen werden. Aber es ist unsinnig, nun auf dringende Maßnahmen zu verzichten, weil man glaubt, man dürfe den Verletzten nicht bewegen. Lediglich unzweckmäßige Bewegung ist zu unterlassen; das gilt aber auch für andere Verletzungsmuster.
Muß man bewegen (Bewußtlose, Herzstillstand) dann soll man ein Verdrehen der Wirbelsäule vermeiden. Nur wenn man das fehlerhaft macht, besteht eine gewisse Gefahr, bei Wirbelsäulenbrüchen nun noch nachträglich das Rückenmark zu verletzen. Daher stand weiter oben die von mancher offiziellen Lehrmeinung abweichende Regel, den Verletzten bei der Seitenlagerung statt an Arm und Becken, an der Schulter und am Becken, zu drehen. Da das Gleitschirmgurtzeug den Körper etwas stützt, ist es meist von Vorteil, dem bewußtseinsklaren Patienten, bei dem Verdacht auf eine Wirbelsäulenverletzung besteht, im Gurtzeug zu belassen. Klagt der Patient über Störungen von Gefühl oder Bewegungsfähigkeit, soll man die Symptome und den Zeitpunkt ihres Auftretens notieren. Dadurch kann sich der Arzt ein Bild über Art und Umfang der Verletzung machen und die nötigen Entscheidungen treffen.
5.7.2. Kopfverletzungen
Trug der Verunglückte einen Halbschalenhelm, ist es wahrscheinlicher, daß eine Gesichtsschädelverletzung vorliegt, bei Integralhelmen muß eher mit Verletzungen von Halswirbelsäule und Schädelbasis gerechnet werden. Im ersterem Fall muß sichergestellt werden, daß etwaige Blutungen nicht die Atmung behindern (sitzende Lagerung, Seitenlage), im anderen Fall muß mit Atemstillstand, Bewußtlosigkeit, hoher Querschnittslähmung und Erbrechen gerechnet werden.
Kopfplatzwunden bluten anfangs stark und sehen, weil das Blut dem Verletzten überall übers Gesicht läuft, sehr schlimm aus. Sie sind aber harmlos. Man darf sich davon nicht täuschen lassen und deshalb ernsthafte Verletzungen übersehen.
Die wirkliche Gefahr kommt durch die Beeinträchtigung wichtiger Steuerfunktionen. Ist das Gehirn betroffen, leidet der Verletzte unter Übelkeit und Erbrechen. Gefährlich sind dann besonders Störungen der Atmung und zunehmende Bewußtseinseinschränkung. Schließt man dem Patienten für ca. 2 Minuten die Augen und läßt dann rasch nacheinander wieder Licht ins Auge fallen, kann man beobachten, daß sich beide Pupillen unterschiedlich rasch zusammenziehen. Ein weiteres Indiz für eine ernsthafte Verletzung erhält man, wenn man beide Hände des (natürlich ansprechbaren) Patienten faßt und ihn bittet, sie kräftig zu drücken. Gelingt das auf der einen Seite schwächer als auf der anderen, spricht das für eine Hirnverletzung. Wenn man regelmäßig Puls fühlt, fällt oft ein sehr langsamer, aber kräftiger Puls auf.
Auch leichtere Fälle können sich bisweilen nicht mehr an das Unfallgeschehen erinnern. Also läßt man den Verletzten erzählen, was ihm geschah. Natürlich darf keiner der Umstehenden dem Verletzten vom Unfallablauf erzählen, weil damit dieses Symptom verwischt würde. (Daher eingangs die Forderung, in Hörweite des Patienten die Klappe zu halten!). Bewußtlosigkeit ist ebenfalls ein sicheres Zeichen für eine Hirnverletzung. Kurze Phasen der Bewußtlosigkeit empfindet der Patient unter Umständen nur als kurzes "Schwarz vor den Augen" werden.
Daher ist bei Kopfverletzten sorgfältig auf den Bewußtseinszustand und die Atmung zu achten.
Kopfverletzte sind zwingend mit dem Kopf nach oben zu lagern! Verliert ein Kopfverletzter das Bewußtsein, wird er auf die unverletzte Seite gelegt und die Atmung überwacht. Bewußtlosen ist ein Integralhelm abzunehmen. Hierzu braucht man zwei Helfer. Da die Helmabnahme mit der Gefahr einer Verletzung der Halswirbelsäule verbunden ist, muß man sie in einem Erste Hilfe Training üben. (Abb. Helmab 1-4)
Öffnen des Kinnriemens
Umgreifen und Stabilisieren von Kopf und Nacken
Unter Zug Helm nach hinten kippen
Helm nach vorne oben wegziehen
Helfer 1 kniet hierzu oberhalb des Kopfes, Helfer 2 neben dem Brustkorb. Er umfaßt den Kopf des Verletzten so, daß seine Daumen am Unterkiefer liegen, die anderen Finger den Hinterkopf stützen und die Handflächen das Genick. So hält er nun den Kopf des Verletzten bewegungslos, wie in obiger Abbildung gezeigt. Helfer 1 öffnet nun den Kinnriemen und faßt von beiden Seiten in den Helm und zieht ihn seitlich auseinander. Nun wird der Helm unter leichtem Zug etwas nach hinten gekippt, damit der Kiefer frei wird und dann nach vorne oben abgenommen. Idealerweise sollte dem Patienten jetzt gleich eine Halskrause umgelegt werden, die hat aber nur der Rettungsdienst. Also wird das Genick so unterpolstert, daß es nicht mehr bewegt wird.
Um die Atemwege frei zu machen, wird der Unterkiefer angehoben und festgehalten. (Abb. Atemweg 1)
Halbschalenhelme behindern in der Regel eine künstliche Beatmung nicht und können und sollen daher bis zum Abschluß der Rettung belassen werden.
Kurzwiederholung
Bewußtlosigkeit Gedächtnislücke Übelkeit Kopfschmerz langsamer Puls Lähmungen Atemwege freihalten Kopf hochlegen Seitenlage auf gesunde Seite 5.7.3. Verletzungen des Brustkorbs
Solche Verletzungen sind eher selten. Anzeichen dafür sind Schmerzen beim tiefen Atmen, blutiger Schaum in den Atemwegen. Man legt Brustkorbverletzte mit erhöhtem Oberkörper hin, versorgt sie ansonsten wie andere Schockpatienten auch. Bewußtseinsgetrübte Verletzte legt man auf die verletzte Seite, damit die Lunge der unverletzten Seite nicht zusammengedrückt wird.
Kurzwiederholung
Atemnot Brustschmerz blutiger Schaum Oberkörper hochlagern Seitenlage auf verletzte Seite 5.7.4. Bauchverletzte
Bauchverletzte erfahren meist massiven Blutverlust durch die Blutung im Bauchraum. Sie entwickeln rasch Schocksymptomatik. Die Versorgung des Schocks steht im Vordergrund. Bauchverletzte wollen sich zusammenkrümmen, man lasse sie gewähren.
5.8. Extremitätenverletzungen
Knochenbrüche oder Verletzungen, bei denen Verdacht auf einen Knochenbruch oder eine Verrenkung besteht, läßt man so liegen, wie man sie vorfindet und unterpolstert sie so, daß das verletzte Körperteil nicht mehr bewegt wird. Schmerzen sind hier in erster Linie bewegungsabhängig. Vor allem schmerzempfindliche Patienten spannen unwillkürlich die Muskulatur des verletzten Körperteils an, wodurch der Schmerz erst recht gesteigert wird. Daher soll man, auch wenn es noch so vergeblich wirkt, versuchen, den Patienten abzulenken und durch gutes Zureden zu einem Lockerlassen der Extremität zu bewegen. Bequemes Unterpolstern erleichtert das. Damit kann man nach einiger Zeit oft sogar ängstlichen Patienten die Situation erleichtern.
Da der Rettungsdienst über ideales Schienungsmaterial und die nötige Übung in der Handhabung dessen verfügt, soll dem Verletzten die überflüssige Tortur einer Behelfsschienung erspart werden. Sinnvoller ist es, Gaffer (aber manchmal auch übereifrige und hysterische Helfer) wegzuhalten; das minimiert die Gefahr, daß einer dem Verletzten auf die Hand tritt oder über ein gebrochenes Bein stolpert.